Projektbesuch im Bagrot Tal im Juni 2014

Monika Schneid besuchte auch dieses Jahr Bagrot - wie immer privat finanziert - und sendete dem Forum Kinder in Not e.V. einen ausführlichen Bericht.

Schulalltag: Stromausfälle, Streiks und wissbegierige Schülerinnen

Unser Besuch im Bagrot Tal im Juni war von verschiedenen Ereignissen geprägt. Der Reihe nach: Das Wetter war durchwachsen - Sonne, Wind und Regen wechselten sich ab, ungewöhnlich für den ersten Sommermonat. Das Mobilfunknetz, die einzige Möglichkeit der Telekommunikation innerhalb des Tals und nach draußen, war nahezu 2 Wochen gesperrt – die Gründe blieben im Dunkeln. Dunkel blieb es auch allzu häufig aufgrund der mangelnden Stromversorgung, das neue Wasserkraftwerk soll nun im Laufe des Sommers den Betrieb aufnehmen. Wir erlebten während unseres Aufenthalts mehrere Feiertage und erstmals Streiks der Lehrkräfte der staatlichen Schulen.

Schulbetrieb

Der Betrieb an der Monika Girls High School lief in dieser Zeit mit Unterbrechungen. Die Lehrkräfte der Schule sind ein Mix aus staatlichen Lehrkräften und privat finanzierten. An manchen Tagen war nicht klar, ob gestreikt wurde oder nicht mangels Kommunikationsmöglichkeit mit der Lehrergewerkschaft in der Provinzhauptstadt Gilgit. Dort fanden die meisten Streikveranstaltungen statt, einige auch in Bagrot, begleitet von Eltern und Schülerinnen. In der Regel kamen die privat finanzierten Lehrkräfte zum Dienst. Die Schülerinnen waren teils schlecht informiert – schnelle Anrufe zur Klärung waren nicht möglich – und kamen nicht zum Unterricht, wenn sie weiter entfernt wohnten.
Der Unterricht ging ohne sie weiter und entsprechend groß war die Verärgerung bei den abwesenden Schülerinnen der höheren Klassen. Während unserer regelmäßigen Besuchen an der Schule haben wir dies alles mit- und den Ärger auch direkt abbekommen.

217 Schülerinnen besuchen die 10 Klassen der High School und 86 Studentinnen die drei Collegeklassen. Aufgrund der großen Nachfrage seitens der jungen Frauen im Tal wollen wir im September erstmals eine vierte Collegeklasse anbieten. Voraussetzung ist, dass entsprechend qualifizierte Lehrkräfte angeworben werden können. Nach den Sommerferien wissen wir mehr. Unsere Freunde vor Ort bemühen sich darum, Lehrkräfte von außerhalb für eine Lehrtätigkeit im Bagrot Tal zu gewinnen. Gute Lehrkräfte versuchen in der Regel in Gilgit oder in der Nähe der Stadt eine Anstellung zu finden. Die Zahl der Schulen und Colleges dort ist groß und wächst weiterhin. Es herrscht große Nachfrage. Kleinräumig erleben wir hier seit einigen Jahren einen Streit um die besten Köpfe. Ich bin zuversichtlich, dass zwei Lehrkräfte gefunden werden, denn manche abgewanderten Söhne und Töchter Bagrots sind bereit, im Rahmen eines Zweitjobs an einzelnen Nachmittagen der Woche im Tal zu arbeiten. Ein kleines Motorrad schafft die Strecke in weniger als einer Stunde.

Insgesamt arbeiten heute 8 privat finanzierte Lehrkräfte für die High School (neben dreizehn staatlichen Lehrkräften) und sieben für die Collegeklassen. Die Schülerinnen und Studentinnen sind sehr zufrieden mit der Qualität des Unterrichts. Die Schule zieht immer noch Schülerinnen aus den Nachbardörfern an, obwohl dort inzwischen staatliche Schulangebote existieren. Deren Qualität wird offen kritisiert.
Grund sind häufig bis permanent abwesende Lehrer. Die zentrale Schulbehörde scheint bisher nur zögerliche Maßnahmen gegen diesen in ganz Pakistan verbreiteten Missstand zu unternehmen. Zumindest zeigen diese noch kein überzeugendes Ergebnis.

Die Ergebnisse der Jahresexamen der meisten Klassen waren zufriedenstellend bis gut. Die zentralen Prüfungsaufgaben sind anspruchsvoll und gehen von voll ausgestatteten Schulen aus.

Lehrer und Schulausstattung

Wir haben entschieden, die Gehälter aller privat finanzierten Lehrkräfte ab Juli um eine Pauschale zu erhöhen, angenähert an die Gehaltserhöhung, die die Regierung für den staatlichen Schuldienst vorgibt.

Der Computerraum wurde inzwischen ausgestattet. Nun muss noch für ausreichend starke Stromanschlüsse gesorgt werden. Diese haben wir in Auftrag gegeben. 28 PCs und 2 Drucker, Schreibtische und Stühle stehen für den Fachunterricht zum Einsatz bereit. In einem weiteren Klassenraum wurde ein kleines Labor für den Chemieunterricht eingerichtet. Bisher war der Unterricht mangels Materialien rein theoretisch.

Ab September wird eine neu einzustellende Lehrerin die Mittelschülerinnen (6.-8. Klasse) im Dorf Sinakir unterrichten. Der Fußweg zur zentralen Mädchenschule in Datuchi verläuft über einige Kilometer entlang abrutschgefährdeter Steilhänge. Eine Mittelschullehrerin wird bereits von der Dorfgemeinschaft finanziert.

Insgesamt ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den Schulen im Bagrot Tal gesunken, insbesondere in den jüngeren Klassen. Grund ist die inzwischen geringere Geburtenrate in vielen Familien. Vier Kinder werden von vielen heute als ausreichend betrachtet angesichts der finanziellen Möglichkeiten der weitgehend landwirtschaftlich orientierten Haushalte und für die spätere Versorgung der Alten. Eine Altersabsicherung kennt Pakistan nur für staatliche Bedienstete und sie reicht in der Regel für die Deckung der Lebenshaltungskosten nicht aus.

Unterricht für gehörgeschädigte Kinder

Unser kleines Versuchsprojekt aus dem vergangenen Jahr - die Beschulung gehörgeschädigter Kinder - zeigt erste Erfolge. Zwei der drei Schüler und eine Schülerin haben im Frühjahr ihr Jahresexamen der zweiten Klasse an der staatlichen Mädchenschule am Ort abgelegt. Die Drei haben Bestnoten erreicht und die Regelschülerinnen abgehängt! Lehrerin Nabila, selbst gehörlos, ist unsagbar stolz auf dieses Ergebnis, die Drei ebenso. Wir hoffen, dass dieses Ergebnis Schule macht. Gemeinsam mit einigen Lehrern bemühen wir uns darum, dass die Zwergklasse nach den Sommerferien in die Räume der nahe­:gelegenen Schule umziehen kann. Bisher findet der Unterricht abseits der Schulpfade in einem Privatraum statt.

Aus dem Bagrot Tal ein herzlicher und vielstimmiger Dank an alle, die die Mädchenschule so uneigennützig unterstützen! Dafür möchte auch ich mich bei allen ganz herzlich bedanken. Noch ist jeder Beitrag für die Fortführung unverzichtbar.

Monika Schneid

im Juli 2014

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