Valerie Browning über das Leben der Afar

Ohne Bildung keine Gesundheit

Valerie Browning hat sich mit engagierten Einheimischen in der Nicht­regierungs­organisation APDA zum Ziel gesetzt, die Not in der ärmsten äthiopischen Provinz Afar zu lindern. Mit der Unterstützung von Hilfsorganisationen und zunehmend von der Provinz­regierung führt sie Impfungen durch, sorgt für Wasser- und Nahrungsmittelhilfe, für Gesundheits­versorgung und Medikamente - besonders in weit abgelegenen Dörfern. Das Forum Kinder in Not unterstützt seit 2001 dreizehn Schulen und hat damit hunderten von Kindern ermöglicht Lesen und Schreiben zu lernen. Im September hatte Valerie Browning die außergewöhnliche Möglichkeit durch die Einladung zu anderen Partnern das Forum Kinder in Not zu besuchen und führte uns die riesigen Herausforderungen eindrücklich vor Augen.

Valerie bei Ihrem Besuch in Neustetten

Schule bei 50 Grad und mehr

Der kleinen schmalen Frau (59) sind die Folgen eines harten Lebens in tiefen Falten ins Gesicht geschrieben. Seit ihrem 22. Lebensjahr arbeitet Valerie Browning als Kranken­schwester und Hebamme für Hungernde, Flüchtlinge und besonders Benach­teiligte auf dem afrikanischen Kontinent – seit den neunziger Jahren unter den Afar - Nomaden in der Danakilwüste, der heißesten bewohnten Region der Erde.

Mit einer Missionsgesellschaft kam die englischstämmige Australierin in den 70er Jahren während der großen Hungersnot nach Äthiopien. Als sehr junge Frau wurde sie dort mit unvorstellbarem Leid und Tod konfrontiert. Das ließ sie nicht mehr los. Sie sieht es als ihre Pflicht, dazu beizutragen, dass die Afar durch eine angemessene Gesundheits­versorgung und Schulbildung eine Perspektive bekommen, um in ihrem Lebensraum und ihrer Hirtenkultur zu überleben. Sie möchte das Volk der Afar vor dem Schicksal bewahren, das andere (Nomaden-)völker wie die Aboriginies oder die Indianer, erlitten haben.

Menschen zu Not wendender Arbeit befähigen

Das Leben der Hirten in der Danakil-Wüste in Äthiopien dreht sich vor allem um Wasser, Vieh und die Beschaffung der nötigsten Grundnahrungsmittel. So ist die Existenz der Familien durch das Viehsterben während der Dürren der vergangenen Jahre bedroht. Bleibt die Milch der Kühe, Ziegen oder Kamele aus, so leiden Mütter und Kleinkinder am meisten. Es mangelt an Basisgesundheitsversorgung und sanitären Einrichtungen in diesem extremen Lebensraum. Die Kindersterblichkeit liegt bei fast einem Drittel. Masern, Malaria, Durchfallerkrankungen und Unterernährung setzen den Kindern am meisten zu.

„Vor 15 Jahren konnten 98 Prozent der Bevölkerung weder schreiben noch lesen. Wie sollten wir da eine gute Gesundheitsversorgung aufbauen? Wir begannen also mit der Alphabetisierung in einer Kultur, deren Sprache erst in den 60er Jahren von einer englischen Professorin erforscht und verschriftlicht wurde. Für die Versorgung der Nomaden war es unabdingbar, Menschen aus den eigenen Reihen auszubilden und zur Basisgesundheitsarbeit zu befähigen, weil die Äthiopier aus dem Hochland nicht bereit waren, unter den extremen Lebensbedingungen zu arbeiten. Es wurden zwar einige staatliche Gesundheitszentren gebaut, diese standen aber meist leer, weil sich kein Personal fand.“, erklärt Valerie die Ausgangslage.

Valerie in Neustetten

Aber es dauerte nicht lange, da waren die ersten 20 Helfer im Einsatz. APDA rekrutierte Mittel von Kirchen, Hilfswerken und Botschaften für die Not wendende Arbeit und baute die Schulbildung ebenso aus, wie die Gesundheitsarbeit. Wichtig war es dabei, die Clanältesten ins Boot zu holen. Standen manche den Plänen anfangs skeptisch gegenüber, so änderten sie schon bald ihre Meinung. Sie erlebten, wie Bildung und Basisversorgung in anderen Dörfern geleistet wurde und merkten, dass die Menschen in den eigenen Dörfern sich nichts sehnlicher wünschten, als dass auch dort Unterricht stattfindet: Unterricht, der das Ziel hat, fähige und motivierte Afar zu Gesundheitshelfern auszubilden, ihnen eine Chance zu geben ihr Vieh auf dem Markt zu einem guten Preis zu verkaufen und letztendlich ihre Lebenserwartung – vor allem die der Kinder– zu erhöhen.

Frauen dürfen unter der Arbeitsbelastung nicht zusammenbrechen

In den letzten Jahren wurden Aufklärungskampagnen zu Frauenrechten oder Aids initiiert. Ein eindrucksvoller Film über die hohe Arbeitsbelastung der Frauen, die nicht selten zu Früh-/Fehlgeburten oder dem Tod werdender Mütter führt, wurde gedreht. „Die Aufführung im Dorf öffnete den Männern die Augen.“, resümiert Browning. „So verlangte ein Zuschauer nach dem Film, dass die Männer ihren Frauen nur noch Mehl vom Markt in der Stadt mitbringen sollten und kein ungemahlenes Korn mehr. Es sei jeder zu bestrafen, der das nicht tue. Immer wieder kommen Männer zu mir, die mir stolz verkünden: ‚Ich habe heute das Wasser geholt!’ Wir haben auch bewirkt, dass die meisten traditionellen Hebammen keine Beschneidungen mehr durchführen.“

Rückblickend wurde viel erreicht. Heute sind rund 250 Gesundheitshelfer in vielen Dörfern unterwegs, um dort einmal im Monat mit Gesundheitsversorgung und Medikamenten zu helfen. Es wurden viele Familienhelferinnen ausgebildet, die über die Ursachen und Vermeidung von Krankheiten oder gute Ernährung aufklären. Die Kindersterblichkeit konnte gesenkt werden, obwohl sie noch deutlich über dem Landesdurchschnitt liegt. Es bleibt zu hoffen, dass der Klimawandel oder die Wirtschaftskrise die Erfolge der vielen engagierten Helfer/ -innen nicht zunichte machen und die Afar ihr spezifisches Wissen um das (Über-)Leben an diesem heißen Ort der Erde bewahren.

Top

MAALIKA

Ein Buch über das Leben von Valerie Browning ist bei PanMacmillan in Australien erschienen.

Maalika ISBN: 9781405038454

 

Fotos aus der Afar Region:

Fotos aus Afar

 

Weiteres zu den Afar:

»Das Nomadenkinder Projekt

»2009 Bericht aus Äthiopien