Afar Schüler-Interviews

Valerie Browning interviewte verschiedene Schüler im Afar Schulprojekt. Hier sind ihre Geschichten:

Ich heiße Mohammad Sa’id, ich bin 15 Jahre alt. Ich bin in der dritten Klasse in Harsis. Mein Vater ist der Dorfvorsteher. Ich habe zwei Brüder und zwei Schwestern. Alle meine Geschwister gehen mit mir zur Schule. Ich habe vor 5 Jahren begonnen, weil ich es wollte. Meine älteren Brüder haben in den letzten zwei Wochen das Vieh nach Sifra gebracht.

Ich möchte weiter zur Schule gehen bis zum Abschluss. Ich hoffe, dass mich mein Vater in die Stadt schicken wird. Irgendwann möchte ich Lehrer sein und auf dem Land bei meinem eigenen Volk unterrichten, so dass wir alle die Möglichkeit bekommen zu arbeiten und unser Leben zu verbessern.

Ich heiße Ali Hammadu. Ich bin 14 Jahre alt und habe einen Bruder und eine Schwester – nur meine Schwester geht zur Schule. Mein Cousin, der nicht zur Schule geht, kümmert sich um unsere Ziegen. Bevor ich zur Schule ging, konnte ich meinen Namen nicht schreiben und nun helfe ich anderen Kindern in der Nachbarschaft zu lernen. Ich möchte meinen Abschluss machen – Ich selbst konnte nicht Schreiben und Lesen und möchte nun anderen helfen es auch zu lernen. Ich möchte in die Stadt gehen, um weiter zu lernen und irgendwann in einem Büro zu arbeiten.

Assiyas Geschichte

Ich heiße Assiya Hasan und bin zwölf Jahre alt. Schule ist mir sehr wichtig und es war sehr schwierig für mich, die Möglichkeit zu bekommen am Unterricht teilzunehmen. Zuerst starben mein Vater und alle meine Brüder und Schwestern. Meine Mutter heiratete einen anderen Mann und nun habe ich eine kleine Schwester. Meine Mutter wollte mich nicht zur Schule lassen, weil ich die einzige bin, die ihr hilft. Von meinen 5 jüngeren Geschwistern starben einer an Malaria, zwei an Durchfall und eine an Masern. Mein Vater war lange sehr krank und dann starb er auch. Wir haben ein paar Ziegen und die Kinder meiner Tante hüten sie jetzt – ich nehme sie manchmal morgens.

Ich kam in die Schule, weil ich bei meiner Tante (Schwester meiner Mutter) darum gebettelt habe, die das Oberhaupt der Frauen im Distrikt Mille ist. (Oberhaupt der Frauen ist ein Regierungsamt auf Distriktebene). Sie hat mich in die Schule getan – sie hat mit uns hier gelebt und hat meine Mutter überzeugt, dass es gut sei, mich in die Schule zu tun. Ich habe meiner Tante gesagt, dass ich nicht schlechter wäre, als die Kinder in der Schule und dass ich hart lernen würde. Nun lerne ich seit 5 Jahren bei uns auf dem Land und bin in der 3. Stufe. Ich kann Englisch an den Tafeln/Plakaten in der Stadt lesen und auch Afar. Wenn ich Stufe 3 abgeschlossen habe, werde ich meine Tante darum bitten mir zu helfen in Mille-Stadt meine Ausbildung abzuschließen.

Es ist wirklich für alle Kinder wichtig, so wie ich zu lernen. Deshalb möchte ich auch Lehre-rin in meinem Dorf werden, wenn ich meine Schule beendet habe. Wenn meine Familie mich verheiratet bevor ich die Schule abgeschlossen habe, werde ich darum bitten einen Jungen zu heiraten, der auch zur Schule gegangen ist, so dass ich meinen Abschluss ma-chen kann und die Kinder auf dem Land unterrichten kann.

Mein Vater hat nur meine Mutter zur Frau. Jeden Tag, wenn ich von der Schule komme, helfe ich ihr im Haushalt: mahle Getreide, koche Tee und helfe ihr meine Großmutter zu versorgen – sie ist 70 Jahre alt. Ich backe Brot in einem Moffi (unterirdischer Backofen der mit Holzkohle betrieben wird). Im Moment holen sie gemahlenes Korn in der Stadt, weil eine unserer Nachbarinnen den Mahlstein geliehen und ihn zerbrochen hat.

Meine Mutter hat sich zuerst geweigert mich zur Schule zu schicken, weil sie dann die ein-zige ist, die die Ziegen hüten kann. Meine kleine Schwester wird in die Schule gehen, weil ihr Vater das will und ich werde ihnen auch sagen, dass sie sie in die Schule schicken sol-len. Wir lehren den kleineren Kindern das Alphabet in unserem Haus, wenn wir Zeit haben.

Sie haben mich beschnitten (FGM), aber als sie das taten, wussten sie noch nicht, wie schlimm das ist. Manchmal brennt es beim Urin lassen. Meiner kleineren Schwester haben sie die Klitoris entfernt – sie hat viel geweint an diesem Tag. Wenn ich einmal Mädchen habe, will ich sie nicht beschneiden lassen.

Ich bin Assiyas Mutter – Assiya lernt wirklich gerne – meine Schwester hat ihr die Möglichkeit verschafft. Weil wir nicht so viele Tiere haben und es wenig Schwierigkeiten mit der Hilfe im Haushalt gibt, habe ich zugestimmt, dass sie zur Schule geht und eine Arbeit bekommen kann.

Zaharas Geschichte

Ich heiße Zaharas Hammadu und bin 15 Jahre. Ich habe eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Meine Schwester ist nie zur Schule gegangen, aber mein Bruder lernt mit mir. Ich wollte immer in die Schule – Ich habe die anderen Kinder gesehen und in diesem Jahr haben meine Eltern irgendwann zugestimmt, dass ich zur Schule gehe. Jetzt kann ich meinen Namen schreiben und lerne andere Wörter zu schreiben – zuerst haben wir das Afar-Alphabet gelernt. Weil ich nicht einmal wusste wie man einen Stift hält, war es am Anfang schwer, aber jetzt ist es leicht.

Andere Kinder reden davon, in die Stadt zu gehen, um ihre Ausbildung fortzusetzen, aber meine Familie ist dagegen – sie wollen meinen Bruder gehen lassen, aber nicht mich. Ich bin jetzt alt genug zum Heiraten und eines Tages werden sie mir einen Ehemann bringen – dann ist meine Chance vorbei. Bevor wir die Möglichkeit hatten zur Schule zu gehen, haben wir nie darüber nachgedacht, aber nun sehe ich , dass es viele Möglichkeiten für Mädchen gibt, die eine Ausbildung haben – ich wünschte meine Eltern würden zustimmen, aber sie sagen, dass es ausreicht, wenn ich hier in unserem kleinen Dorf zur Schule gehe und nicht in der Stadt. Ich kenne Mädchen, die gelernt haben und Familien­hel­ferinnen geworden sind. Nun helfen sie ihren eigenen Leuten und bringen ihnen etwas über Gesundheit und Krank­heiten bei. Ich wünsche mir das auch, aber ich glaube, sie werden mich schnell verhei­raten – wann, weiß ich nicht.

Top

Schüler Fotos:

Mohammad beim Lernen Ali unterrichtet gern Assiyas Assiyas erklärt den anderen Kindern das Alphabet Assiyas Mutter Zahara

 

Das Projekt:

»Afar - Äthiopien